Andere Länder - andere Sitten. In Skandinavien ist das Duzen der Normalfall, in Deutschland ist es - ungefragt - eine Beleidigung. Das habe ich nie verstanden. Ich kann mir nämlich nicht vorstellen, dass man den "Gesiezten" mehr Respekt entgegenbringt als den Geduzten. Entweder habe ich Respekt vor meinem Gegenüber oder nicht. Da ändert weder das Du noch das Sie etwas daran. Na ja, trotzdem haben die Leute ja Namen. In Skandinavien unterscheiden sie sich verstärkt im Vornamen. Die Nachnamen oder Familiennamen sind in der Regel unabänderlich. Die Vornamen allerdings können sich die Eltern - und nur die - fast nach Belieben für ihre Nachkommen aussuchen und die dadurch oftmals armen Kinder müssen damit lebenslang zurechtkommen.
2018 sind bislang Ben und Emma die Favoriten, gefolgt von Hanna(h) und Paul. 2000 führten Anna und Lukas die Listen an. In den gesamten 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts dominierte Christian die Bestenliste mit Julia. Ein seltenes Phänomen über so viele Jahre.
In der ewigen Bestenliste seit 1890 führt übrigens Peter bei den Männern mit Maria, weil diese in den Zweitnamen zu über einem Drittel vorkam.
Lukas und Maximilian sind schichtenübergreifend populär. Jonas, Paul und Tim gehören zu den beliebtesten Vornamen der mittleren Schichten; Justin, Leon und Nico zu denen der unteren Schichten.
Mit der Verbreitung des Fernsehens wurden auch in Deutschland viele fremdländische oder seltene Namen geläufig.
Besonders die Serienhelden verkörperten Charaktere, die in manchen Kreisen Wünsche und Träume hervorriefen. Man identifizierte sich mit diesen Fantasiefiguren und so lag es nahe, dass man seine Kinder nicht selten nach ihnen benannte. Der Name Sabrina wurde aus der Serie "Drei Engel für Charlie" adaptiert und gelangte so in die Bestenliste der Standesämter.
Auffällig ist es allerdings, dass besonders in den niedrigen und bildungsfernen Schichten die Namen der Serienheldinnen und Serienhelden vermehrt zu finden waren. Im Grunde kein Wunder, denn gerade die privaten Fernsehanstalten sendeten über den ganzen Tag verteilt Serien und Filme. In sozial schwachen Kreisen war auch vermehrt Arbeitslosigkeit verbreitet, die einen häufigen Fernsehkonsum auch tagsüber ermöglichte. So erhielten gewisse Rubriken der Privatsender das böswillige Attribut "Hartz IV-Fernsehen".
Zusammenfassend kann man festhalten, dass die Namenswahl besonders in den Unterschichten das Wunschdenken der Namensgeber widerspiegeln. Man hat durch den Namen den Wunsch impliziert, dass dieser Nachkomme einmal so werden wird wie der Held/die Heldin aus dem TV und dass man zu dem Namensgeber aufschaut, der ja dieses Kind geboren oder gezeugt hat.
Innerhalb von einer Woche beziehungsweise sieben Tagen nach der Geburt müssen die Eltern oder sorgeberechtigten Personen gemäß § 18 Personenstandsgesetz (PStG) zum Standesamt gehen und die Geburtsurkunde beantragen. Auf weitere Vorschriften will ich hier nicht eingehen. 7 Tage Zeit haben die Eltern also, sich einen oder mehrere Namen für ihr Kind auszusuchen. Durch die moderne Ultraschalltechnik wissen viele Eltern aber bereits vor der Geburt, ob es ein Junge oder Mädchen wird. Somit können sie sich mitunter bereits Monate vorher für einen Namen entscheiden.
Man glaubt es kaum, aber dieser Namensgebungsakt ist das größte Problem während der gesamten Schwangerschaft. Viele brauchen einen Namen, der das Kind von den anderen abhebt. Ein Allerweltsname kommt nicht in Frage. Mein Kind ist einmalig, etwas ganz Besonderes, also muss es auch einen ganz besonderen Namen bekommen.
Frei übersetzt, bedeutet das "alle Heiligen". Tatsächlich wurde in einigen Kreisen dieser Name ins Namensverzeichnis eingetragen. Da es sich um einen christlichen Traditionsnamen handelt, dürfte es bei den Standesämtern auch heute keine Probleme geben. Ja, aber gerade diese Standesbeamten sind es, die all zu bescheuerte Namensgebungen verhindern und auch die Macht dazu haben. Dennoch durfte nach einer gewonnenen Verwaltungsgerichtsklage ein Mädchen Nutella genannt werden. Pepsi Cola oder Butterfee wurden jedoch abgelehnt. Auch Papst oder Boxer wurden von Beamten nicht eingetragen. Gazelle mit dem Zusatz Marie hatte dagegen Erfolg. Wehe, wenn dieses Mädchen mal adipös wird.
Was im Vakuum der Hohlbirne so mancher Eltern vorgeht, stellt mit Sicherheit jeden Neurologen vor ein unlösbares Problem. Wie dem auch sei, werden viele Namen eingetragen und die armen Kinder müssen sich lebenslang damit herumschlagen. Der Wohlklang mancher Namenskombinationen bereitet schon Schmerzen. So habe ich in meiner erweiterten Nachbarschaft zwei deutsche Kinder mit dem polnischen Nachnamen Piäschesski (Piesczeski). Eines heißt Schakkeline (Jaqueline) und Nummer 2 Anschellick (Angélique). Die Rufnamen sind folgerichtig Schacki und Angie (gesprochen Einschie). Toll.
Die Frage ist, warum spreche ich wiederholt von "armen" Kindern? Die Kinder können doch nichts für die Unvernunft ihrer Eltern. Die Namen dürften sie doch in ihrem Fortkommen nicht behindern. Das Gegenteil ist jedoch der Fall. Es gibt inzwischen viele Studien, die beweisen, dass die Namensgebung eine gewichtige Rolle im Leben vieler Kinder spielt.
Wissenschaftler wie der Leipziger Namensforscher Peter Ernst oder die Forscherin Astrid Kaiser von der Universität Oldenburg haben Daten und Fakten zusammengetragen, die beweisen, dass viele Kinder durch ihre Namen stark benachteiligt sind. "Kevin ist kein Name, sondern eine Diagnose". So fasst die Oldenburger Forscherin Astrid Kaiser ihre Untersuchung über die Wirkung von Vornamen zusammen. Dafür scheint die Welt der Stars und Schauspieler wichtiger zu werden. Der Name Kevin wurde nach dem 90er-Jahre-Film „Kevin allein zu Haus“ so populär wie nie zuvor, erklärt Professor Ernst.
Es ist bewiesen, dass man Vornamen gewissen Bildungsschichten und Sozialen Schichten zuordnen kann. So ist der Name Leon zu einem weit überwiegenden Teil der unteren Bildungsschicht und der Sozialen Unterschicht zuzuordnen. Eigentlich ist er wie "Kevin" eine Diagnose. Dabei kann Leon nichts für seinen Namen. Er fällt aber in das statistische Raster. Hieraus müssten wir uns befreien. Wir tun es jeoch nicht. "Denken hilft zwar, nützt aber nichts" titelt die Psychologin Ariely.
Wie zeitabhängig die Wirkung der Namensgebung ist, beweist wiederum Kevin. In den 1970er Jahren war Kevin Keagan ein erfolgreicher und begnadeter Fußballspieler. In dieser Zeit war Kevin noch keine Bestrafung. Hier repräsentierte der Name Erfolg und Durchhaltevermögen. Aber auch hier nahm die Wirkung von der Unterschicht zur Oberschicht rapide ab. Einige Menschen versuchten, ihre einfache Lebensweise mit suggerierenden Vornamen "aufzubessern". So wurde aus dem Hans ein Hanns, Karl bevorzugte wieder die 1890er Schreibweise und hieß fortan Carl. Auch Claus sah wichtiger aus als Klaus. Wenn man die Pseudonyme der Schauspieler und Sänger mit dem Klarnamen vergleicht, sieht man, was hier gemeint ist. Gerd Grabowski wurde mit den Initialen in G.G. Anderson versteckt. Hierfür gibt es viele weitere Beispiele.
Ein kleiner Test in einer der Studien beweist, dass wir von Namen Rückschlüsse ziehen. Würden Sie Monika Meier eher den Beruf der Kinderpflegerin zutrauen oder ist sie etwa Schachweltmeisterin? Wer ist Physikprofessor --- Maximilian von Hohenstein oder Leon Schulze? Ich zitiere hier einmal:"Datenbanken mit den Namen von Wissenschaftlern verfügen kaum über Chantalle, Kevin oder Justin. Stattdessen gibt es oft Paula, Anna, Lena, Sarah, Sebastian, Thomas oder Maximilian. Auch Bildungsbürger mit Namen wie Evgenija, Omar, Ruslan oder Mohammed sind aufzufinden. Letztere verfügen manchmal über mehrere Studienabschlüsse."
Das Personalmanagement der großen Konzerne kann sich nicht davon freisprechen (hier höre ich bellenden Widerspruch hallen), dass es von vornherein eine Franziska von Königstein einer Chantal Wüst vorziehen wird. Da auch hier die unzulängliche Neutralität siegt, ist es nicht verwunderlich, dass auch die "Vermaktung" von Frau Hohenstein leichter und wirksamer ist als die von Chantal. Also, alles richtig gemacht, oder?
Wer sein Kind mit aller Gewalt ins Unglück stürzen will, wählt z.B. einen der folgenden Vornamen (Quelle:beliebte-vornamen.de)
Bent Als dänische Form von Benedikt ist Bent eigentlich ein akzeptabler nordischer Jungenname. In Großbritannien ist “bent” allerdings ein umgangssprachlicher Ausdruck für “homosexuell”. Missverständnisse sind so vorprogrammiert: “Hi, I’m Bent …”...Fanny Fanny ist in kultivierten Kreisen als Kurzform von Franziska bekannt. Auf einem vulgären Sprachniveau nennen Engländer so die weiblichen Genitalien, während in den USA mit Fanny der Hintern gemeint ist. ....Nazi Ein rätoromanischer (schweizer) Jungenname. Dieser Name ist zwar im “internationalen Handbuch der Vornamen” verzeichnet und sollte daher in Deutschland von allen Standesämtern zugelassen werden. Allerdings würde das Wohl des Kindes wohl sehr beeinträchtigt werden. Hallo, ich bin ..... Tjorven Da nordische Vornamen zur Zeit in Deutschland sehr angesagt sind, liegt auch der Name Tjorven im Trend. Meistens werden Mädchen Tjorven genannt, es gibt aber auch Jungen mit diesem Namen. In Schweden ist Tjorven eher als Spitzname üblich und bedeutet frei übersetzt “dickes Würstchen”. Prognose: Aus Deutschen mit dem Vornamen Tjorven werden keine begeisterten Schweden-Touristen. .... Randy Abgesehen von möglichen Streitereien mit Standesämtern steht das englische Adjektiv “randy” für “scharf, geil, lüstern”..... Hören wir hier mal auf.
Dieser Aufsatz ist kein Vorwurf an die Eltern. Auch nicht an die, die den Kindern einen Modenamen gegeben haben. Fühlen Sie sich durch diesen Bericht nicht in eine Schublade gesteckt, etwa Oberschicht - Unterschicht - bildungsfern, usw. Die Angaben hierzu sind rein statistisch zu sehen. Sie werden keinesfalls auf alle zutreffen. Es war und ist mir nur einmal wichtig anzumerken, wie ungerecht manche Kinder/Menschen durch die Erkenntnisse dieser Statisik behandelt werden.
Sollte jemand einen Modenamen tragen oder von den Eltern mit einem Reiznamen bedacht worden sein, so machen Sie sich keine Sorgen. Kein Mensch wird sie deshalb weniger schätzen. Zwar lässt sich die Statistik nicht widerlegen, aber es gibt genug Ausnahmen. Nehmen wir den "armen" Leon. Es kommt nicht von Ungefähr, dass Leon in der griechischen Mythologie einer der "Giganten" war. Abgeleitet ist der Name vom griechischen Λέων, was soviel wie Löwe bedeutet. Und es gibt auch durchaus erfolgreiche "Leons". Denken wir nur an Léon Breitling (Luxusuhren), Léon Dufour (Naturforscher), Leon Milo (Komponist) oder die vielen anderen.
An die Eltern kann man nur einen ernstgemeinten Appell für die Zukunft richten: Versuchen sie nicht, sich mit dem Namen Ihrer Kinder selbst verwirklichen zu wollen. Ihre Kinder sind das Wertvollste, was Sie besitzen. Wählen Sie die Namen mit Bedacht und lassen Sie sich nicht von profanen Zeitereignissen steuern. Die Kinder müssen sich schon im Sandkasten mit ihrem Namen identifizieren und das geht von da an weiter bis zu ihrem Tod. Schänden Sie Ihre Kinder nicht mit einem idiotischen Fantasienamen.
Keiner ist also durch seinen Namen verdammt, weder die Kevins, noch Schantalls oder Schackelines.
>Man glaubt, man sei Herr seiner Entscheidungen. Mitnichten! Findige Marketingstrategen befehlen uns, was wir gut zu finden haben und was nicht. Und das ist lange nicht alles. Wir machen das, was den Profit für die bringt, die uns beherrschen. Dabei werden wir nicht zufällig ausgesucht. Oftmals wirken wir fleißig mit. Wir gehen einfach zu lasch mit unseren Daten um.
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