Wenn wieder einmal ein Verbrechen gegen Kinder oder Jugendliche geschieht, ist die Reaktion in der Bevölkerung noch immer die gleiche wie vor 100 Jahren. "Rübe ab" ist der Tenor, manchmal vorsichtiger formuliert, vom Sinn jedoch immer gleich. Viel schlimmer noch sind die Auswüchse in den Sozialen Medien. Hier geht es vom simplen Todeswunsche für den Täter bis zur Höllenqual, etwa: "keine Tierversuche mehr, nehmt Kinderschänder" ... oder ähnliche spontane Auswüchse menschlicher Grausamkeiten.
Tatsächlich sind diese Reaktionen sogar verständlich, denn manche der Verbrechen sind ebenfalls so grausam, dass man Details eigentlich gar nicht wissen möchte.
Indien ist eine Demokratie mit einer - wie sie von sich selbst sagen - modernen Gesetzgebung. Indische Gesetze ermöglichen die Verfolgung der gesamten Bandbreite von Straftaten, ohne die grausamen Körperstrafen einiger arabischer Staaten anzudrohen. Das Land ist jedoch so groß, dass es die unterschiedlichsten Völker vereinigt. Viele Schichten achten die Frauen und Kinder nicht als vollwertige Mitglieder der Gesellschaft. Die Vergewaltigung von Frauen ist ein Straftat, die im Augenblick grassiert. So wusste sich die indische Regierung auch nicht anders zu helfen, als auf die Strafverfolgungsbehörden einzuwirken, diesen Missstand durch drastische Strafen bis zur Todesstrafe zu ahnden. Überhaupt ist die indische Regierung bei aller Achtung der demokratischen Grundordnung in der Lage, rasch auf neue Trends zu reagieren, was man von vielen Staaten dieser Welt nicht behaupten kann.
So ist die EU und vor allem Deutschland ein Bereich, in denen Rechtsänderungen derart zähflüssig abgearbeitet werden, dass einem die Haare zu Berge stehen. Richtig ist natürlich, dass bei jeder Gesetzesänderung die Grundrechte gewahrt bleiben müssen. Aber ist es nicht möglich, Gesetze und auch das Grundgesetz so anzupassen, dass eine zeitnahe Verfolgung von neuen Straftatbeständen möglich ist. Ich denke da an die Cyberkriminalität, die jahrelang, ja bis heute, durch derart wackelige Rechtvorschriften scheinsanktioniert ist, dass einem nichts mehr einfällt.
Indien gehört zu den zahlreichen Staaten, in denen die Todesstrafe noch regelmäßig ausgeurteilt und vollstreckt wird. Die USA, China, Indonesien und zahlreiche insbesondere ostafrikanische Staaten, der Nahe Osten, Japan und Korea wenden die Todesstrafe noch an. In einigen dieser Staaten ist die Todesstrafe zwar nicht abgeschafft, sie wird aber seit mehr oder weniger vielen Jahren nicht mehr vollstreckt.
Die Androhung der Todesstrafe war in den meisten europäischen Ländern in Friedenszeiten auf Verbrechen gegen die Menschlickeit, Verbrechen gegen Leib und Leben in einem besonders schweren Fall (Mord, Totschlag, pp) oder Verbrechen gegen die rechtsstaatliche Sicherheit (Landesverrat) beschränkt.
Insbesondere die muslimischen Länder haben aber einen großen Katalog, was alles todeswürdig ist. So ist im arabischen Raum bereits der Ehebruch, die Homosexualität, Hexerei, Zuhälterei oder Abkehr vom Glauben mit der Höchststrafe bedroht. Länder wie China und Indien bestrafen die Vergewaltigung oder den sexuellen Missbrauch von Kindern seit jeher mit dem Tode. Korruption und Bestechung sind in China und dem Irak ebenso todeswürdig wie Menschenhandel.
In Mitteleuropa, in der EU ist die Todesstrafe seit mehr als 30 Jahren generell abgeschafft. Einzig Weißrussland kennt noch die Todesstrafe auf dem europäischen Kontinent.
Am Anfang meines Studium standen die Fächer Rechtsphilosophie und Rechtsgeschichte auf dem Vorlesungsplan. Ich denke, dass jeder Student der Jurisprudenz seine eigenen Erfahrungen in der Vermittlung der Inhalte hatte. Eine Frage war jedoch stets zu stellen: Wer hat das Recht gemacht und wer hat das Recht zu bestrafen? Die ethischen Bedenken bei gewissen Formen der Bestrafung spielen hier eine ganz gewichtige Rolle. Die Abstrahierung ist zur objektiven Beurteilung oft nicht leicht. Während rechtsgeschichtlich die Kirche ein gewichtiges Wörtchen mitzureden hatte, haben wir uns heute dankenswerter Weise davon (theoretisch) völlig lösen können. Der Rechtsraum besteht aus Normen, die im Laufe der Zeit erarbeitet und zur Grundlage von Gesetzen geworden sind.
Wir wollen über Kindesmissbrauch sprechen. Zunächst müssen wir aber definieren. Dabei fangen wir nicht mit dem Missbrauch an, sondern mit der Frage, was ist ein Kind. Wir müssen also das Kind und die Gründe für seine besondere Schutzbedürftigkeit untersuchen.
Während jeder Mensch das Recht auf körperliche (dazu zählt auch die seelische) Unversehrtheit hat, sind Kinder und Jugendliche noch besonders schützenswert. Kinder etwa Kleinkinder haben noch keine Einsicht in ihr eigenes Handeln. Jugendliche müssen das je nach Entwicklungsstand ebenfalls erst lernen. Diese Kinder, das Gesetz nennt hier 14 Jahre als Altersgrenze, haben ein Recht auf ungestörte sexuelle Entwicklung. Hierbei ist das Geschlecht des Kindes ebenso wenig von Bedeutung wie das Geschlecht des Täters. Wer ein Kind sexuell missbraucht, begeht nach der deutschen Rechtsauffasung ein Kapitalverbrechen. Der sexuelle Missbrauch von Kindern ist wegen der besonderen Schutzbedürftigkeit und Fürsorge für Kinder ungleich höher zu bestrafen als vergleichbare Delikte.
Für den Missbrauch sind z.B. sexuelle Handlungen nötig. Der Täter, der an einem Kind sexuelle Handlungen vornimmt, muss das Kind in aller Regel berühren. Es reicht aber auch, wenn der Täter auf den nackten Körper des Kindes ejakuliert. Es ist aber ebenfalls strafbar, wenn nicht er die sexuellen Handlungen an dem Kind vornimmt, sondern von dem Kind an sich vornehmen lässt. Zur Erfüllung des Missbrauchstatbestandes ist es nicht erforderlich, dass das Kind erkennt, dass es eine sexuelle Handlung ist, die es vornimmt. Natürlich ist es auch strafbar, dass Kind zu sexuellen Handlungen an Dritten zu bewegen oder Dritten für sexuelle Handlungen zu überlassen. Diese Taten werden mit Freiheitsstrafe bis zu 10 Jahren bestraft. Der Wiederholungstatbestand sieht sogar Strafen bis zu 15 Jahren Freiheitsstrafe vor.
Eine sehr zweifelhafte Gesetzeslage ist mit dem Vornehmen exhibitionistischer Handlungen unter der beabsichtigten Beobachtungslage des Kindes gegeben. Exhibitionismus liegt nur vor, wenn ein Mann diese Handlungen vornimmt. Rein theoretisch könnte die Frau mit entblößter Vulva öffentlich masturbieren, ohne dass hier eine exhibitionistische Handlung im strafrechtlichen Sinne vorliegt. Als Kindesmissbrauch gilt aber auch die Handlung einer Frau, wenn sie darauf ausgerichtet ist, dass das Kind diese Handlungen sehen soll oder sehen muss. Ein besonderer sexueller Kick ist als Voraussetzung nicht erforderlich. Auch wenn das Kind dazu aufgefordert wird, an sich zu manipulieren oder gar lediglich eine sog. aufreizende Stellung einzunehmen (z.B. Bücken ohne Höschen, Spreizen der Beine) liegt bereits Kindesmissbrauch vor.
Es gibt noch mannigfaltige Definitionen sexueller Handlungen, insbesondere mit Einsatz moderner Medien wie WEB-Cams oder Tonträger. Allen Definitionen ist gemein, dass sie von einer entsprechenden Erheblichkeit sein müssen. Das Befassen seines eigenen verdeckten Genitals durch den Fußballbundestrainer stellt sicher unter keinen Umständen eine sexuelle Handlung dar. Die Erheblichkeit ist auch der springende Punkt in der Beurteilung mit Hinsicht auf die Wirkung gegenüber dem Schutzbedürfnis des Kindes.
Für die Beurteilung der Tat als solche ist weder die Anwendung von Gewalt noch die Nötigung von Bedeutung. Selbst die einvernehmliche Vornahme der Handlung mit dem Kind stellt Kindesmissbrauch dar. Einzig ist hier auch wieder die Schwelle der Erheblichkeit zu beachten. Nimmt zum Beipiel ein Mann während einer Feier ein kleines Mädchen auf den Schoß, so ist durch diese Tatsache allein keine sexuelle Bedeutung ausgelöst. Gleiches gilt, wenn er sich von dem kleinen Mädchen mit einem Kuss verabschiedet. Kommt es hierbei jedoch zu einem innigen und deutlichen Kuss mit der Zunge, so ist die Erheblichkeitsschwelle hier überschritten.
Hier unterscheidet sich die Volksmeinung von der juristischen Beurteilung ganz erheblich. Keine Frage ist innerhalb dieser Diskussion, dass auf die Höchststrafe, nämlich lebenslange Freiheitsstrafe zu erkennen ist, wenn das Kind zu Tode kommt. Hier wird der § 176 vom § 211 (Mord zur Befriedigung des Geschlechtstriebs oder als Verdeckungstat) klar überdeckt, wenn Vorsatz oder bedingter Vorsatz vorliegen. Was ist aber, wenn das Kind "lediglich" sexuell berührt wird? Gerade in Fällen des Kindesmissbrauchs ist die Strafzumessung äußerst schwierig. Kann beispielsweise bei Eingriffen, wie das Manipulieren am Glied des kleinen Jungen durch den Täter schon eine Erheblichkeit angenommen werden, die eine lange Freiheitsstrafe für den Täter zwingend bedingt? Der Volksmund würde das klar mit "Ja" beantworten. So einfach ist es allerdings nicht. Natürlich ist der Junge in seiner schützenswerten sexuellen Unversehrtheit empfindlich beeinträchtigt worden. Möglicherweise nimmt seine sexuelle Entwicklung einen anderen Verlauf als bei einem Jungen, dem diese Handlungen nicht angetan wurden. Die Frage ist nicht, dass hier eine seelische Verletzung, die ja ebenfalls einen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit darstellt, als so bedeutend angesehen wird, dass sich hieraus der Zwang für eine Sanktion mit vielen Jahren Freiheitsstrafe ergibt.
Die Abwägung der Schwere der Tat und die Beeinträchtigung des Opfers kann ohne umfangreiche Gutachten nicht erfolgen. Kein Richter wird sich anschicken, hier die Verantwortung allein zu übernehmen, weil dies schlichtweg unmöglich ist. Ich bin der Meinung, dass das Schutzgut des Opfers weit höher zu bewerten ist als das Schutzgut des Täters. Aber wir leben in einem Rechtsstaat, der auch dem Täter Rechte einräumt. Also habe ich hier Unrecht.
Durch die Medien werden immer wieder Fälle kolportiert, in denen die Täter mit einem blauen Auge davonkommen. Die Statistik sagt aber etwas anderes. In Deutschland werden zwar vergleichsweise milde Urteile gesprochen, was den Ruf nach "Aufhängen", "Rübe ab", "Schwanz ab" auslöst. Hierbei handelt es sich aber wahrlich um sehr schwierig zu beurteilende Fälle mit vielen prozessualen Hürden, die im Rechtsstaat zu beachten sind.
Alle Todesurteile bei Kapitalverbrechen wären volkswirtschaftlich vernünftig. Die Tötung eines Menschen kann recht kostengünstig erfolgen und Folgekosten wie Unterbringung, Verpflegung, Therapien usw. fielen nicht an. Würde diese äußerste Brutalität aber die entsprechenden Verbrechen verhindern? Würde den psychopatischen Kinderschänder die Androhung dieser Strafe von der grausamen Tat abgehalten haben? Mit Sicherheit nicht!
Ich habe großes Verständnis für aufgewühlte Massen, wenn wieder einmal ein Fall wie etwa der des Waschkauenwärters Joachim Kroll aus Duisburg öffentlich würde. Ich wohnte seinerzeit in Duisburg und habe den Fall hautnah miterlebt. Noch näher dran war mein Schulfreund Bernd Jägers, Hauptkommissar der Mordkommission Duisburg a.D. Er hatte damals diesen Fall zu bearbeiten. Die Einzelheiten, die in diesem Fall bekannt wurden, müssen uns aber nicht am Rechtsstaat zweifeln lassen. Wieviele Menschen hätten die Regeln des Rechtsstaats damals gern missachtet. Auch ich. Ich habe es nicht getan und sie haben Gelegenheit jetzt einmal selbst zu diskutieren. Hoffentlich in Frieden und Sachlichkeit.
>Man glaubt, man sei Herr seiner Entscheidungen. Mitnichten! Findige Marketingstrategen befehlen uns, was wir gut zu finden haben und was nicht. Und das ist lange nicht alles. Wir machen das, was den Profit für die bringt, die uns beherrschen. Dabei werden wir nicht zufällig ausgesucht. Oftmals wirken wir fleißig mit. Wir gehen einfach zu lasch mit unseren Daten um.
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